Zur Übersicht
  • News

"Man muss es erzählen, weil es unvorstellbar ist" 

Die Holocaust-Überlebende Renate Aris war am 18. März 2024 zu Gast im SRH Beruflichen Gymnasium Dresden. Ihre Erzählungen haben die Schülerinnen und Schüler der 11. bis 13. Klasse tief bewegt.

Kalendereintrag

Renate Aris ist eine der letzten jüdischen Überlebenden des Holocaust in der Region Chemnitz und Dresden. Seit vielen Jahren ist sie als Zeitzeugin zu Gast an Schulen und Universitäten und ermöglicht jungen Menschen mit ihren ganz persönlichen Erzählungen eine authentische und eindrückliche Begegnung mit der deutschen Geschichte. Ihr Besuch am Montag im SRH Beruflichen Gymnasium Dresden wurde initiiert von der Dresdnerin Linda Lorenz mit Unterstützung der Regionalen Arbeitsgruppe Sachsen „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V“.

"Mir geht es darum, dass die Schrecken des Krieges und die Verbrechen der Nationalsozialisten bei den kommenden Generationen nicht in Vergessenheit geraten", sagt Renate Aris. "Mich schockiert es, dass wir heute wieder von antisemitischen Angriffen und Anfeindungen in Deutschland hören müssen. Umso wichtiger ist, den jungen Menschen bewusst zu machen, dass sich Vergangenheit nicht wiederholen darf." Renate Aris wurde für ihr Engagement mehrfach ausgezeichnet, unter anderem in Israel mit dem Zertifikat der "United Jewish Federation of Pittsburgh", dem Friedenpreis der Stadt Chemnitz sowie dem Verdienstorden des Freistaates Sachsen.

Hass und Vorurteile abbauen 

Bei ihrem Besuch im SRH Beruflichen Gymnasium Dresden hören Renate Aris rund 50 Schülerinnen und Schüler der 11. bis 13. Klasse zu, wie sie aus ihrer Kindheit erzählt, die geprägt war von der Herrschaft der Nationalsozialisten und der Verfolgung, Ausgrenzung und Ermordung von Jüdinnen und Juden. Renate Aris erzählt, dass sie nicht hinaus durfte zum Spielen auf die Straße, nicht zu Freunden, nicht in die Schule. Dass die Polizei jeden Abend an die Tür mit dem Judenstern klopfte und überprüfte, ob sie zuhause ist. Sie erzählt, wie sie vor einem Bombenangriff in ein Geschäft flüchtete, aber am Kragen gepackt und auf die Straße hinausgeworfen wurde. Sie erzählt davon, wie die Familie unter der Willkür der Nazis und der ständigen Gefahr der Deportation lebte. 

Renate Aris‘ Großmutter und 20 weitere Familienangehörige wurden in Konzentrationslagern ermordet. Am 16. und 17. Februar 1945 sollten die letzten verbliebenen Dresdner Jüdinnen und Juden in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert werden. "Doch dann kam es am 13. Februar 1945 zu dem großen Luftangriff auf Dresden. Meine Mutter nutzte die Chance mit meinem Bruder und mir zu fliehen. Wir liefen durch das brennende Dresden, hinweg durch Flammen, über Tod und Zerstörung." Renate Aris hat diese grauenvollen Bilder niemals vergessen können. Es sind insbesondere die eindrücklichen Schilderungen dieser Erinnerungen, die die Jugendlichen in der Aula des SRH Beruflichen Gymnasiums Dresden sichtlich bewegen. "Man muss es erzählen, weil es unvorstellbar ist", sagt Renate Auris.  

Es können nur Momente eines Lebens sein, die in 90 Minuten einer Unterrichtseinheit passen. Doch sie hinterlassen Eindruck und eröffnen Raum für die intensivere Beschäftigung mit den Themen, die sich aus dem Besuch ergeben. Schon direkt im Anschluss stellen die Jugendlichen Fragen. Sie wollen beispielsweise wissen, wie es so weit kommen konnte, dass es heute wieder antisemitische Anfeindungen gibt oder wie Jüdinnen und Juden in der DDR lebten. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 12 reflektieren die Erzählungen von Renate Aris im anschließenden Unterricht mit ihrem Ethiklehrer Timotheus Böhme. "Die Schülerinnen und Schüler waren tief bewegt. Sie empfanden diese sehr eindrücklich und persönlichen Schilderungen unheimlich bereichernd. Der Besuch von Renate Aris bei uns setzte ein wichtiges Zeichen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Wir möchten die Schülerinnen und Schüler für die Wichtigkeit einer offenen Diskussions- und Erinnerungskultur sensibilisieren. Nur so können wir Vorurteile und Hass abbauen", sagt Timotheus Böhme.